Mobile Deponiegasstation für Zentraldeponie Emscherbruch (ZDE) in Gelsenkirchen

1. Ausgangssituation

Die Zentraldeponie Emscherbruch (ZDE) in Gelsenkirchen war die erste geordnete Deponie in Deutschland und gilt als Meilenstein einer fortschrittlichen und sicheren Deponietechnik. Die ZDE ist seit 1968 ein zentraler Bestandteil der Entsorgungssicherheit im Ruhrgebiet. Die Deponie erfüllt gemäß unserem Kunden und Betreiber der AGR-Gruppe selbstverständlich alle Anforderungen an die höchste Deponieklasse für die obertägige Ablagerung von Abfällen sowie an die Sicherheits- und Umweltschutzvoraussetzungen in Bezug auf Ablagerungs- und Deponiebetriebstechnik.

Die AGR Gruppe betreibt nicht nur aktive Deponien, sie kümmert sich auch um solche, die sich in der Stilllegungsphase befinden. Die verantwortungsvolle Deponienachsorge und Deponieüberwachung sind Aufgaben, die längerfristige Maßnahmen erfordern, oftmals bis zu 50 Jahre nach Einstellung des Betriebs.
Deponiegas entsteht in Mülldeponien hauptsächlich durch den bakteriologischen und chemischen Abbau von organischen Inhaltsstoffen des Mülls. Es besteht hauptsächlich aus Methan (CH4) und Kohlenstoffdioxid (CO2). Methangas ist leicht entzündlich. Das Methangas wird über den Sammelbalken in der Deponiegasstation zu einem Stromgenerator weitergleitet und zur Energiegewinnung genutzt.

Anaerobe* stabile Methanphase: Unter anaeroben Bedingungen werden die organischen Bestandteile auf der Deponie zu Methan (CH4) und Kohlenstoffdioxid (CO2) abgebaut. Der pH-Wert steigt bis auf 8,5. Das Ergebnis der biochemischen Abbauprozesse ist ein wassergesättigtes Gas, das im Wesentlichen aus 50–70 Vol.-% Methan und 30– 50 Vol.-% Kohlenstoffdioxid besteht. Dieses Gasgemisch wird als das eigentliche Deponiegas bezeichnet.

Bisher wurden von der AGR-Gruppe nur festinstallierte Betongaragen als Deponiegasstationen ausgeführt.
Das Problem dabei ist, dass die jeweiligen Gasbrunnen im Laufe der Zeit Ihre Aktivität (also die Deponiegas- Erzeugung) verlieren. Somit müssen an anderen geeigneten Stellen neue vertikale Deponiegasbrunnen gebohrt und an neue Deponiegaststationen angeschlossen werden, was hohe Kosten verursacht. Aufgrund dieser Ausgangssituation bestand die Forderung nach einer neuen flexiblen und mobilen Lösung für die Deponiegas- Sammelstation.

* anaerob: „ohne Sauerstoff“ - Lebewesen, die für ihren Stoffwechsel keinen molekularen Sauerstoff brauchen, werden als anaerob bezeichnet.

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2. Projektziele

Ein wichtiges Projektziel unseres Kunden ist es zukünftig je nach Bedarf bzw. Lage der aktiven Gasbrunnen die Deponiegas-Sammelstation als mobile Systemeinheit flexibel und einfach versetzen zu können. Damit soll eine hohe Kosten- und Zeiteinsparung erreicht werden. Die neue Lösung soll dabei auf einem vorhandenen und ausreichend dimensionierten Seecontainer basieren, der als Standardcontainer verwendet und transportiert werden kann.

Die strengen Anforderungen der ATEX*-Richtlinien der Europäischen Union aufgrund der Explosionseigenschaften von Deponiegas müssen bei der Werkstoffauswahl für das gesamte Rohrleitungssystem aus Kunststoff zwingend erfüllt sein und durch entsprechende Abnahme-Prüfzeugnisse nachgewiesen werden.

Um die Kunststoffrohrsysteme als Zündquelle auszuschließen, müssen sie – gemäß der Richtlinie TRGS 727 (Technische Regeln für Gefahrstoffe - Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen) - aus elektrisch ableitfähigen Werkstoffen angefertigt sein, die den ATEX-Richtlinien entsprechen.

*ATEX: Abkürzung für „Atmosphère Explosible“. Außerdem ist ATEX die Kurzbezeichnung für die europäische Richtlinie 2014/34/EU für das Inverkehrbringen explosionsgeschützter Geräte und Schutzzaunsysteme (inkl. Komponenten).

3. Lösungskonzept

Mobile Sammelstation
Für die neue mobile Deponiegas-Sammelstation wird ein 40 Fuß-Schiffscontainer mit folgenden Abmessungen verwendet:
Länge: 12,192 m
Breite: 2,438m
Höhe: 2,591m

Lösbare Anschlüsse an Deponiegasbrunnen
An der Außenwandung des Schiffscontainers werden die entsprechenden Flanschanschlüsse für die Anbindung der jeweiligen Rohrleitungen aus PE80-EL der Gasbrunnen sowie der Sammelleitung zum Stromgenerator fest installiert.

ATEX-Schutz durch elektrisch leitfähigen Werkstoff
Nach EN 13463-1 kann davon ausgegangen werden, dass eine elektrostatische Aufladung vermieden wird, wenn der Oberflächenwiderstand ≤ 109 Ohm beträgt.
Für das gesamte Rohrleitungssystem (Rohrleitungen, Formstücke, Armaturen, Messeinheiten, etc.) wurde ein bewährter elektrisch leitfähiger Kunststoff PE80-EL von Simona ausgewählt. Durch Stumpfschweißung ist bei elektrisch leitfähigen Werkstoffen die Leitfähigkeit über die Schweißnaht hinaus gesichert. Dies gilt auch für Warmgasziehschweißungen und Extrusionsschweißungen mit elektrisch leitfähigem Schweißdraht. Elektrisch leitfähige Kunststoffe der SIMONA AG, die einen Durchgangswiderstand < 106 Ohm aufweisen, können in Geräten und Schutzsystemen, die der ATEX-Richtlinie 2014/34/EU unterliegen eingesetzt werden, wenn sie ausreichend geerdet sind. Zum Nachweis des gelieferten Materials und dessen Eigenschaften stellt der Lieferant ein Abnahmeprüfzeugnis 3.1 nach DIN EN 10204 und ein technisches Datenblatt zur Verfügung, siehe Bild 1.

Bild 1 - PDF

4. Umsetzung

Werkstoffauswahl
Einsatz von PE80-EL (elektrisch leitfähig) – Lieferant, Simona AG.
PE80-EL ist ein hochwärmestabiler, UV-stabilisierter und mit elektrischer Leitfähigkeit eingestellter Kunststoff für Explosionsschutz bei statischer Aufladung. Dadurch kann PE80-EL hervorragend für diesen Anwendungsbereich Deponiegasstation und allen anderen explosionsgefährdeten Bereichen, in denen durch statische Aufladung Funkenbildung entstehen kann, eingesetzt werden. Der Kunststoff zeichnet sich besonders aus durch:

  • elektrische Leitfähigkeit,
  • gutes schlagzähes Verhalten,
  • optimale Schweißbarkeit,
  • absolute Korrosionsfreiheit,
  • hohe Abriebfestigkeit sowie
  • einer sehr guten chemischen Widerstandsfähigkeit.

3D-Konstruktion
Nach Auftragsvergabe durch die AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH, Herten (LBU Lobenhofer Bau und Umwelt GmbH) wurden alle nötigen Komponenten in die beigestellten 40-Fuß-Schiffscontainer von Hopfgartner kunststoffgerecht und in 3D mittels SolidWorks geplant, siehe Bild 2.

Werkstattfertigung
Die Komplettmontage der einzelnen Bauteile (siehe Bild 3 und Bild 6) wie Rohre, Formstücke, Armaturen und Messeinrichtungen ist durch fachmännische Heizelement-Stumpfschweiß- und Flanschverbindungen in der Werkstatt durch geprüfte Schweißer erfolgt.

Anschluss der Kompletteinheit mit Sammelbalken im Schiffscontainer
Die Kompletteinheit mit Sammelbalken aus PE80-EL wird mit ausreichend dimensionierten Stützhalterungen aus Edelstahl im Schiffscontainer fest fixiert. Darüber hinaus wurden alle 30 Rohranschlüsse für die Gasbrunnen sowie die beiden Sammelleitungen für den Stromgeneratoranschluss aus dem Container geführt, dicht verschweißt und mit einem lösbaren Flanschanschluss für die Druckleitung versehen, siehe Bild 2 und Bild 5.

Bild 2 - PDF

Bild 3: 3D-Konstruktion der Einzelkomponenten mit Verrohrung
Quelle: HOPFGARTNER Kunststoff- & Umwelttechnik GmbH

Bild 4: Mobiler 40-Fuß-Seecontainer für Deponiegastation
Quelle: HOPFGARTNER Kunststoff- & Umwelttechnik GmbH

Bild 5: Seecontainer mit installierter Deponiegas-Sammelstation aus PE80-EL
Quelle: HOPFGARTNER Kunststoff- & Umwelttechnik GmbH

 

Bild 6: Deponiegas-Sammelstation aus PE80-EL
Quelle: HOPFGARTNER Kunststoff- & Umwelttechnik GmbH

5. Kundennutzen
  • Der Werkstoff PE80-EL für die Druckrohre (SDR 11 / PN 10,0) ist elektrisch leitfähig, medienbeständig und korrosionsfrei. Somit wird eine dauerhafte Funktionssicherheit gewährleistet.
  • Der Kunststoff PE80-EL ist zu 100% recyclebar und damit nachhaltig.
  • Hohe Sicherheit gemäß den ATEX-Richtlinien durch Einhaltung der vorgeschriebenen Nachweise aller
    verwendeten zugelassenen Werkstoffe in der Deponiegasstation über entsprechende Werkszeugnisse sowie einer
    sehr aufwendigen End-Dokumentation. (Abnahmeprüfzeugnisse 3.1 nach DIN EN 10204)
  • Hohe Betriebssicherheit durch fachgerechte Verschweißung nach DVS-Richtlinie 2205-1 sowie Dichtheitsprüfung.
    Die Dichtheitsprüfung erfolgt während der Montage mittels Funkeninduktionsprüfung.
  • Die mobile 40 Fuß-Schiffscontainer mit integrierter Deponiegas-Sammelstation kann zukünftig vor Ort jederzeit
    flexibel eingesetzt werden. Aufgrund der räumlichen Abmessungen besteht im Container ausreichend Platz für
    Wartungs- und Reparaturarbeiten zur Verfügung.
  • Hohe Kosten- und Zeitersparnis durch mobile Lösung der Deponiegas-Sammelstation statt fester Betongaragen.

Die Zentraldeponie Emscherbruch (ZDE) in Gelsenkirchen war die erste geordnete Deponie in Deutschland...

Kunde:

AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH

Mobile Deponiegasstation für Zentraldeponie Emscherbruch (ZDE) in Gelsenkirchen

06. December 2021

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